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saMMlung De Face






                  Die Faszination frontaler Münzdarstellungen

                  „Die Frontalität ist (...) keine beliebige Körperhaltung. Sie ist von einem bestimmten, intensiven Aussagewillen erfüllt;
                  eine bestimmte Bedeutung kommt ihr daher zu.“ (Zaloscer 1969)
                  Von Münzen mit perspektivischen oder frontalen Darstellungen von Köpfen geht ein besonderer Reiz
                  aus. Das liegt zum einen daran, dass die Darstellung eines Gesichts de face dem Stempelschneider beson-
                  deres Können und Feingefühl abverlangt. Zum anderen fühlt sich der Betrachter von einem Bild, das ihn
                  unmittelbar, also “Auge in Auge” anspricht, auf besondere Weise angesprochen.
                  Die meisterhafte Beherrschung dieser Perspektive kann zu spektakulären Höhepunkten der Münzkunst
                  wie Kimons Arethusa de face, dem Apollon von Amphipolis und dem erhabenen Bildnis des Provinzkai-
                  sers Postumus führen. Auf der Schattenseite stehen entgleiste Gesichtszüge und geplättete Nasen, wie
                  wir sie beispielsweise von den frontalen Massenprägungen von Rhodos kennen. Das Risiko des Scheiterns
                  beim Stempelschnitt und das der unschönen Vernutzung durch Zirkulation ist bei de-face-Darstellungen
                  außergewöhnlich hoch. Beide Gründe dürften zusammengenommen den Ausschlag dafür geben, dass
                  die Frontalperspektive nur auf einem kleinen Teil der antiken Münzen umgesetzt wurde, wenn man die
                  spätrömisch-byzantinischen zunächst einmal ausklammert.
                  Es dürfte aber noch ein dritter Grund verantwortlich sein für die Zurückhaltung bei der Darstellung von
                  Göttern und Herrschern de face. Hierauf werden wir im Laufe der kursorischen Betrachtung stoßen.



                  Die dritte Dimension

                  Die Seltenheit und Attraktivität der Münzen mit Frontaldarstellungen macht sie zu einem beliebten Sam-
                  melobjekt. Erstaunlicherweise aber ist bislang nur ein einziges Mal eine Sammlung angeboten worden,
                  die sich diesem Thema explizit widmet, wenngleich alle bedeutenden Sammlungen griechischer Münzen
                  einen mehr oder weniger großen Anteil solcher Münzen haben. Die Sammlung “Facing Heads on Greek
                  Coins” von David Herman wurde bei der Classical Numismatic Group (CNG) in den Jahren 2006 und
                  2007, verteilt auf drei Auktionen, versteigert (vgl. Nrn. 1037). Sie enthielt 344 griechische Münzen, da-
                  runter fast alle Haupttypen dieses Genres (der grundlegende Aufsatz zu Frontaldarstellungen von Agnes
                  Baldwin aus dem Jahr 1908 umfasst 363 Nummern).
                  Der hier nun vorliegenden, 507 Exemplare umfassenden Sammlung liegt ein Ansatz zugrunde, der sich
                  von Herman und Baldwin unterscheidet. An ihrem Anfang stand die Frage nach der Darstellungsabsicht
                  spätantiker Frontalität: Was sollte durch die Wahl der frontalen Darstellungsweise zum Ausdruck gebracht
                  werden, was im Profil nicht möglich erschien? Dazu war es nötig, einen Überblick dieser Darstellungen zu
                  gewinnen, von den Anfängen der griechischen Münzprägung bis in byzantinische Zeit.
                  Nicht nur zeitlich, sondern auch darstellungstechnisch wurde der Blick erweitert. Es wurden Münzbilder
                  mit Darstellungen im Halbprofil berücksichtigt, ebenso wie solche im sog. Dreiviertelprofil und in der
                  totalen Frontalen. Zudem wurden nicht nur Köpfe und Büsten in dieser Darstellungsweise gesammelt,
                  sondern auch ganzfigurige Darstellungen, bei denen das Gesicht in seiner Gänze zu erkennen ist und
                  nicht etwa, wie es die Regel ist, sich vom Betrachter abwendet. Entscheidend ist, dass beide Augen der
                  dargestellten Person oder des dargestellten Tiers zu erkennen sind. Dann entfaltet das Münzbild eine
                  Wirkung, die sich grundsätzlich von der von Profildarstellungen unterscheidet. Ein frontales Münzbild
                  wirkt in die dritte Dimension hinein und spricht den Betrachter wesentlich direkter an. Viele dieser Bilder
                  wirken sehr eindringlich, manche geradezu hypnotisch.








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