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Der Numismatiker Hermann-Joseph Lückger



                                                            „Heimatkundler, Unternehmer, Kunstsammler“ – so
                                                            lautet der Eintrag zu Hermann-Joseph Lückger in der
                                                            Deutschen  Digitalen  Bibliothek.  Von  all  diesen  As-
                                                            pekten sei im Folgenden ein kleiner Teilbereich an-
                                                            gesprochen: das Sammeln und historische Auswerten
                                                            antiker Münzen. Was Hermann-Joseph Lückger auf
                                                            dem  Feld  der  mittelalterlichen  Münzkunde  geleistet
                                                            hat, verdient eine gesonderte Würdigung.
                                                            Hermann-Joseph  Lückger  wurde  1864  in  Köln  ge-
                                                            boren,  wo  seine  Familie  seit  Generationen  ansässig
                                                            war. Nach dem Abitur besuchte er die Wirkerschu-
                                                            le in Chemnitz, um 1892 die Leitung der Strickwa-
                                                            renfabrik „Lückger & Co.“ zu übernehmen, die seit
                                                            1817  im  Besitz  der  Familie  war,  und  der  er  bis  zu
                                                            seinem Tod im Jahr 19 1 vorstand. Diese großbür-
                                                            gerliche  Existenz  verschaffte  ihm  die  nötige  Muße
                                                            für  eine  intensive  Beschäftigung  mit  der  Geschich-
                                                            te  seiner  Heimatstadt.  Bereits  der  Großvater  hatte
                                                            – neben anderen Antiquitäten – Münzen gesammelt,
                                                            sodass Hermann-Joseph Lückger bereits von Hause
                                                            aus  mit  dem  „bacillus  numismaticus“  infiziert  war.

              Lückger war fortwährend auf Streifzug in Köln, besuchte in engen Abständen die Antiquitäten- und Münzhändler
              und nahm Baustellen in Augenschein (besonders während des Aufbaus nach dem 1. Weltkrieg), um sich ein Bild
              von den archäologischen Strukturen der römischen und frühmittelalterlichen Stadt zu machen. Natürlich stellten
              dabei Münzen als zum Teil „redende“ Quellen, zum anderen Teil als archäologische Rätsel einen Schwerpunkt
              seines Interesses dar. Die Münzsammlung der Familie Lückger, die wie wir noch sehen werden, über drei Genera-
              tionen zusammengetragen wurde, besteht dabei aus drei Teilen.
              Bereits 2016 durfte sich die Münzhandlung Dr. Busso Peus Nachf. glücklich schätzen, in ihrer 417. Auktion den
              bedeutenden Anteil an antiken Münzen zu versteigern. In dem hier vorliegenden Katalog wird nun dem Interesse
              des Sammlers an der heimischen Numismatik des Mittelalters und der frühen Neuzeit Genüge getan.
              Die Sammlung Hermann Joseph Lückger – Rheinland und Westfalen ist eine Forschungssammlung im besten
              Sinne. Sie beschäftigt sich dabei insbesondere mit den Beischlägen und Imitationen Kölner Münzen aus den zahl-
              reichen Münzstätten der Nachbarn, die sich dem dominanten Vorreiter im Kölner Wirtschaftsraum nicht entzie-
              hen konnten und wollten. Weit über die Grenzen des Erzbistums hinausgehend, umfasst die Sammlung Lückgers
              dadurch einen geographisch geschlossenen Raum, der grob gesprochen dem Gebiet des heutigen Bundeslandes
              Nordrhein-Westfalen entspricht. Zeitlich umfasst sie über 1000 Jahre, von den Prägungen der Merowinger im 7.
              Jahrhundert bis zu den Medaillen auf die Vollendung des Kölner Doms im 19. Jh. Aber gerade das zentrale Gebiet
              der für das hohe und späte Mittelalter charakteristischen Beischläge ist ein bis heute spannendes Forschungsfeld
              der Mediavistik. Lückger war Teil einer sehr engagierten Gruppe von privaten Sammlern und Heimatforschern,
              die an vielen Punkten mit den hauptamtlichen Gelehrten zusammenarbeiteten, um mehr Licht in das „finstere
              Mittelalter“ zu bringen.
              Bedauerlich ist dabei einzig, dass Lückger und sein bekannter Zeitgenosse, der bedeutende Kölner Mittelalter-Nu-
              mismatiker Walter Hävernick sich, zumindest in späteren Jahren, überworfen hatten. Grund dafür war der aus heu-
              tiger Sicht unverständliche Ehrenkodex der Zeit, der es beiden Herren aus gekränktem Stolz unmöglich machte, die
              Sammlung Lückger bei der Bearbeitung des Standardwerkes zur Kölner Mittelalter-Numismatik zu berücksichtigen.
              Dadurch sind in Hävernicks bis heute maßgeblichem Zitierwerk Die Münzen von Köln von Beginn der Prägung bis 1304
              schmerzliche Lücken entstanden. Lückgers dagegengehaltene Streitschrift Die Münzen von Köln- Nachträge und Berich-
              tigungen zu Bd. I des Kölner Münzwerks war dabei von Anfang an nicht als Katalog seiner noch im Aufbau befindlichen
              Sammlung gedacht. Die komplette Sammlung seiner mittelalterlichen Münzen, weit über Köln hinausgehend, wurde
              nie publiziert. Auch deshalb ist dieser Auktionskatalog nicht nur für Sammler sondern auch die Forschung wichtig.
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