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SlG. SEUpEl
ISlAMIc cOINS
catalogued by Lutz Ilisch
©Peus Nachfolger and the cataloguer
Die Sammlung Reiner Seupel
Nach einer ebenso spontanen wie spektakulären Übersiedlung von der DDR in die Bundesrepublik Deutschland 1961 wurde
dem jungen Reiner Seupel eine solide Gymnasialausbildung im Jugenddorf Altensteig zuteil. Noch in dem denkwürdigen Jahr
1962 erhielt er hier seine erste islamische Münze, ein perfekt erhaltener umayyadischer Dirham des Jahres 10 H. als Geschenk,
dem dann während der folgenden Schuljahre bis 1967 jeweils ein weiterer Auktionskauf im Herbst folgte. Bis zum Abitur waren
überschaubare 2 Stücke in diesem Sammlungsbereich zusammengekommen. Seinen Schwerpunkt legte der junge Sammler
aber auf die numismatische Literatur. Darunter verstand er nicht nur die Standardwerke und die Beschreibungen der großen
Sammlungen, sondern auch die hier nicht zum Verkauf kommende Aufsatzliteratur, die er systematisch in Sonderdrucken
sammelte. Mit dem Beginn eines Medizinstudiums in Heidelberg konzentrierte er sich dann für lange Zeit vollständig auf die
Literatur, die er bald im Überblick hatte und um deren Ergänzung er mit allen Kuratoren der staatlichen Münzsammlungen in
Moskau, Stockholm, London und New York er korrespondierte. So war er 1970 als Student schon qualifiziert die Beschreibungs-
arbeit der legendären Sammlung islamischer Münzen des Bürgermeisters von Chartres Alexandre Billard de Saint Laumer
(+ 1889) im Auftrag der Firma Peus Nachf. zu übernehmen (Auktion 276 am 24./2 . März 1971). Danach folgten erst in
den 80er Jahren einige kleine Veröffentlichungen, wie über unpublizierte marinidische Goldmünzen in den Schweizer Münz-
blättern. In seiner letzten langen Sammelphase entstand eine detailliert ausgearbeitete Übersicht über die Münzprägung der
ostanatolischen Manguchakiden und ihrer Wissenschaftsgeschichte, die auch heute noch unübertroffen, jedoch noch nicht
publiziert ist. Dabei forschte er intensiv und nutzte die Heidelberger und Frankfurter Universitätsbibliotheken. Seine eigenen
außerordentlich hohen Ansprüche an Originalität und Genauigkeit behinderten bisweilen eigenes Publizieren und ich kann
nur vermuten, dass extreme Erwartungen an perfekte Erhaltungen der für ihn sammelbaren Münzen auch seine zeitweilige
Enthaltsamkeit bei Münzen und die Konzentration auf die Bücher beförderten. Hinzu kam, wie er selbst betonte, daß er auch
anderen Leidenschaften Raum geben wollte, wie zeitweilig dem Fliegen und dem Fußball seiner Mannschaft, der Eintracht
Frankfurt. Er war ein eigenständiger Mensch, der die Wechsel seiner Neigungen als persönliche Freiheit überzeugend verteidigte,
wobei die numismatische Literatur einerseits und sein Perfektionismus andererseits Konstanten bildeten.
Nach einer anstrengenden beruflichen Phase wandte er sich 2001 schließlich doch aktivem Münzsammeln zu, indem
er zunächst wie zu Beginn bei den einschlägigen Auktionshäusern und aus den Listen von Stephen Album kaufte, später
zunehmend auch im amerikanischen Ebay. Dabei wechselten Präferenzen von der anfänglichen Vorliebe für Kalifenmünzen
zum Silber der Spanischen Umayyaden und Almoraviden und Almohaden, danach über die Ayyubiden und Rum
Saljuken hin zur Bronzeprägung der Tahiriden und Samaniden mit ihrer Vielfalt an Namensnennungen und historischen
Bezügen, ohne sich durch zufällige Gelegenheiten ablenken zu lassen.
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Die Konzentration auf ausgewählte Münzen in überdurchschnittlichen Erhaltungen war ihm seit den ersten Anfängen wichtig
gewesen. In seiner langen letzten Sammelphase 2001-2016 nutzte er allerdings auch seine Kenntnisse der Textverarbeitung, um
einen Katalog seiner Sammlung entstehen zu lassen, der an Ausführlichkeit und Genauigkeit weit über das hier im Auktionskatalog
zu Bietende hinausging. Dazu gehörten meisterliche digitale Bildaufnahmen, welche erahnen lassen, dass Reiner Seupel seine
Münzen normalerweise in voller Bildschirmgröße vor Augen hatte und nicht als metallisches Original. Dies belohnte die Suche
nach den besten Exemplaren und die dafür notwendigen Aufwendungen und lässt die Zurückstellung von Seltenheit des Typs
oder der Münzstätten-Jahres-Kombination verständlich erscheinen. Im Unterschied zum Papierkatalog und seiner digitalen
Entsprechung wurde die Sammlung selbst keiner anderen Ordnung unterworfen als der Reihenfolge der Erwerbung und war
somit subjektiv ein Spiegelbild der persönlichen Sammlungsgeschichte.
Penibel, wie er nun einmal war, dokumentierte er auch alle Käufe mit den dazugehörigen Rechnungen von der ersten
Erwerbung, dem frühen perfekt geprägten Fatimidendinar aus al-Mahdîya, das ihm 1963 in der Auktion XXXV bei Gerhard
Hirsch in München unter der Nummer 142 für 4 DM zugeschlagen worden war. So ist es möglich, in dem jetzt vorliegenden
Katalog die Geschichte der Sammlung vollständig zu dokumentieren.
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In dieser letzten Sammlungsphase nahm Reiner Seupel regelmäßig an den jährlichen Treffen der Oriental Numismatic Society
in Tübingen teil, wo er als ebenso zurückhaltender wie kritischer Beobachter mit beachtlicher Kompetenz und Belesenheit an
den Diskussionen teilnahm und neue Freunde gewann.
In seinen letzten beiden Lebensjahren sammelte er nicht mehr, konnte aber gesundheitlich angeschlagen bei seiner Bibliothek und
Sammlung zuhause bleiben.
Mit vorliegendem Katalog kommen nun erst einmal der erste Teil der Münzsammlung sowie die umfangreiche Bibliothek zur
Versteigerung.
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